Eine Zahnspange fürs Kind – Was Eltern beachten sollten

Köln – Ein ideales Gebiss haben von Natur aus die wenigsten. Wenn die Milchzähne ausfallen, wachsen die bleibenden Zähne häufig ein bisschen schief nach.

Ausgeprägte Fehlstellungen gelten in Deutschland seit einem Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1972 als Krankheit. Die Krankenkassen bezahlen daher bis zum 18. Lebensjahr eine medizinisch notwendige Korrektur. Laut Barmer GEK trägt heute mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen eines Jahrgangs eine Zahnspange. Aber ab wann ist eine Behandlung sinnvoll? 

«Natürlich kann auch mit schiefen Zähnen gesund und glücklich sein», sagt Dirk Kropp, Geschäftsführer von proDente, einer Initiative der Zahnarzt- und Dentaltechniker-Verbände. Ihm zufolge kann eine Fehlstellung aber auch ein medizinisches Risiko darstellen: Manche Kinder können nicht richtig kauen oder sprechen, und eng stehende Zähne lassen sich schlechter reinigen.

Dass eine Zahnspange die Mundgesundheit verbessert, ist laut Verbraucherzentrale allerdings bisher nicht ausreichend belegt. Darauf weist auch der
Gesundheitsmonitor 2016 von Barmer GEK und Bertelsmann Stiftung hin. Kieferorthopäden argumentieren demnach dennoch häufig mit möglichen Spätfolgen, wenn eine Fehlstellung nicht behandelt wird.

Um zu beurteilen, ob ein Kind eine Zahnspange braucht, orientieren sich die Ärzte an kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG). Bei Fehlstellungen ab Schweregrad 3 bezahlen die Krankenkassen die Korrektur, auch wenn das Kind momentan keine Probleme hat.

Entscheiden sich die Eltern für eine Behandlung ihres Kindes, sollte sie beginnen, bevor das Kieferwachstum abgeschlossen ist. «Das ideale Alter liegt bei etwa 10 bis 13 Jahren», sagt Dirk Kropp. Die Behandlung dauert in der Regel vier Jahre.

Ob ein Patient eine herausnehmbare oder feste Zahnspange benötigt, hängt vom Befund ab. «Meistens macht man eine Kombination aus beidem», sagt Hub van Rijt, Zahnarzt mit Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie aus Bielefeld. Lose Spangen bestehen aus einer Kunststoffform, die mit Drahtklammern festgehalten wird. Das Kind trägt die Spange nachts und möglichst lange auch am Tag. Zum Essen und beim Sport wird sie herausgenommen.

Bei festen Zahnspangen klebt der Kieferorthopäde «Brackets» – kleine Plättchen aus Metall, Keramik oder Kunststoff – auf die Zähne. Ein Drahtbogen, der die Brackets verbindet, bringt die Zähne in die richtige Position.

Ist das Behandlungsziel irgendwann erreicht, kann die Zahnspange entfernt werden. Um das Ergebnis zu stabilisieren, wird hinter den Frontzähnen ein Draht befestigt – ein «Retainer» -, der ein bis zwei Jahre dort bleiben sollte. «Wenn der Draht nicht stört, kann man ihn auch fünf oder zehn Jahre im Mund lassen», sagt van Rijt.

Auch wenn ein entsprechender Schweregrad vorliegt, übernehmen die Krankenkassen häufig nicht die kompletten Kosten für die Behandlung. In den meisten Fällen zahlen die Eltern kräftig dazu – Beträge von 1000 Euro und mehr sind keine Seltenheit, zeigt der Gesundheitsmonitor.

Van Rijt erklärt das mit dem medizinischen Fortschritt. Draufzahlen müssen Eltern für teurere Materialen für Brackets und Drähte, die optisch unauffälliger sind oder einen besseren Tragekomfort und eine kürzere Behandlungsdauer versprechen.

Wenn Eltern unsicher sind, rät van Rijt, eine Zweitmeinung einzuholen. Skeptisch sollte man werden, wenn ein Kieferorthopäde die Kassenleistung gar nicht erst anbietet, erklärt Zahnarzt Driss Wartini von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Dass sich Eltern von Kieferorthopäden unter Druck gesetzt fühlen, hört Wartini allerdings selten.

Fotocredits: Peter Johann Kierzkowski,Cornelis Gollhardt,proDente e.V.
(dpa/tmn)

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