Anthroposophische Medizin: Pseudowissenschaft oder anerkannte Lehre?

Die Anthroposophische Medizin ist eine Heilslehre, die anerkannte schulmedizinische Methoden mit philosophischen Ansätzen verbindet. Unter Schulmedizinern ist die Wirksamkeit anthroposophischer Heilmethoden umstritten und wird im besten Fall als pseudowissenschaftlich angesehen.

Die Anthroposophische Medizin beruht sowohl auf den Lehren der Naturwissenschaften als auch den Denkgrundlagen der Anthroposophie, einer spirituellen Weltanschauung, die Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts von dem österreichischen Philosophen Rudolf Steiner begründet wurde. Dabei wird der menschliche Körper immer im Verhältnis zu seiner Seele und seinem Geist sowie zu den kosmischen Kräften der Natur gesehen. Zur Diagnostik einer Krankheit werden die verschiedenen Ebenen der Existenz des Menschen untersucht und einer ganzheitlichen Therapie unterzogen.

Anthroposophische Medizin: Ursachenforschung

Die Anthroposophische Medizin ist die geisteswissenschaftliche beziehungsweise philosophische Erweiterung der anerkannten Schulmedizin. Sie vertritt die Auffassung, dass das menschliche Leben auf vier Ebenen stattfindet. Diese vier Ebenen bezeichnen 1. den „physischen Leib“, den tatsächlichen Körper, sichtbar und durch die Gesetzte der Physik bestimmbar; 2. den „ätherischen Leib“, der die Lebenskräfte eines Menschen umfasst; 3. den „Astralleib“, die Summe des menschlichen Bewusstseins und seiner Empfindungen; und 4. das „Ich“, die Persönlichkeit eines Menschen. Eine Krankheit wird als Störung dieser Einheit gewertet, zu ihrer Heilung muss die Harmonie zwischen den einzelnen Ebenen wiederhergestellt werden.

Die Therapie beruht auf der engen, vertraulichen Zusammenarbeit von Arzt und Patient. Letzterer ist nicht einfach nur das zu behandelnde Subjekt, sondern nimmt aktiv an seiner Heilung teil. Der Patient muss mit dem Arzt gemeinsam nach der Ursache für eine Krankheit suchen, die sowohl in der Krankheitsgeschichte des Patienten als auch in seinen Lebensumständen, seinem sozialen Umfeld und seiner Persönlichkeit liegen kann. Fragen zur Gesundheit können immer nur dann beantwortet werden, wenn Arzt und Patient über den Zustand des Individuums als einheitliches Ganzes Bescheid wissen.

Therapien der anthroposophischen Medizin

Der erste Schritt einer anthroposophischen Therapie besteht in der Ursachenforschung. Je nachdem, welcher Teil des menschlichen Wesens für die Krankheitsentstehung verantwortlich ist, werden dann entsprechende Heilmethoden angewandt. Physische Ursachen werden mit Medikamenten der Schulmedizin ebenso wie durch den Einsatz von tierischen, pflanzlichen oder mineralischen Heilmitteln der Homöopathie bekämpft. Auch rhythmische Massagen oder die Eurythmie – eine spezielle Bewegungstherapie – werden angewandt.

Die ausführlichen Gespräche zwischen Arzt und Patient können im Sinne der Therapie weitergeführt werden und Möglichkeiten zur Heilung finden, sodass eine Störung in der Harmonie von Körper und Geist zum Beispiel durch Änderungen der Lebensumstände oder eine speziell ausgearbeitete biodynamische Ernährung behoben werden kann.

Schließlich sind auch kreative Therapien wie Malen oder Singen Teil der antroposophischen Heilslehre. Diese kunsttherapeutische Idee findet auch in der schulmedizinischen Pädagogik Verwendung. Patienten können sich durch die künstlerischen Aktivitäten ausdrücken, Empfindungen erforschen und ihre Wahrnehmung verbessern.

Zum Teil finden anthroposophische Methoden also auch Anwendung in der Schulmedizin. Ihre Wirksamkeit dürfte daher wenig umstritten sein. Was jedoch die darüber hinausgehenden philosophischen Ansätze der Therapie betrifft, so sind sich Schulmediziner und Anthroposophen höchst uneinig. Ähnlich wie bei der Naturheilkunde liegt die Entscheidung für eine Therapieform letztlich aber beim Patienten, und dessen Glaube an die Wirksamkeit einer Heilmethode ist bekanntlich für den letztlichen Erfolg mit ausschlaggebend.

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