Videochat statt Wartezimmer – bisher ein seltenes Angebot

Frankfurt/Main – Ein Vorgespräch, welcher Facharzt der richtige ist, oder nur kurz kontrollieren, wie die Wunde heilt. Wäre es nicht praktisch, wenn sich das per Videotelefonat erledigen ließe? Für Ärzte, Krankenkassen und viele Patienten wohl schon.

Doch obwohl Videosprechstunden technisch und rechtlich möglich sind, wird das Angebot bisher kaum genutzt. Am Beispiel Hessen lassen sich die Probleme zeigen.

«Das wird in Zukunft hoffentlich mehr», wünscht sich Pavel Khaykin. Der Frankfurter Internist findet Video-Sprechstunden «auf jeden Fall sinnvoll». Seit Anfang August bietet er diesen Service an – «aber bisher gab es noch keine einzige Anfrage». Khaykin und eine Hand voll weitere Mediziner verschiedener Fachrichtungen in Hessen bieten ihre Videosprechstunden über eigene Online-Portale an. Es gehe um sensible Daten, daher könne man nicht einfach Programme wie Skype oder Facetime verwenden, erklärt Dr. Khaykin.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hatten sich schon 2016 über die technischen Anforderungen für Praxen und Videodienstleister geeinigt. So müssen Ärzte vor der
Videosprechstunde eine schriftliche Einwilligung einholen, das Gespräch darf nicht aufgezeichnet werden und die Übertragung muss speziell verschlüsselt sein.

KBV-Sprecher Roland Stahl sagte, es gebe noch keine Zahlen, wie viele Ärzte die Videosprechstunde anwendeten. Man sei am Anfang. Es werde sich noch weiter verbreiten. Aber: «Die Videosprechstunde ist nicht das digitale Allheilmittel.» Es könne, insbesondere im ländlichen Raum unterstützend eingesetzt werden. Und er fügte hinzu: «Die Ärzte blockieren nicht.»

Seit Mitte dieses Jahres übernehmen die Krankenkassen die Kosten für Videosprechstunden. Wie oft Ärzte und Patienten das seither genutzt haben, weiß aber derzeit niemand – bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen wurde das dritte Quartal noch nicht ausgewertet. KV-Sprecher Karl Matthias Roth geht davon aus, dass es nicht allzu viele sein werden. Videosprechstunden seien «eine sinnvolle Ergänzung», sagt er, aber «keine Lösung für den Ärztemangel auf dem Land».

Auch die Landesärztekammer Hessen findet Videosprechstunden gut, betont aber auch die Grenzen: «Videosprechstunden können unter anderem bei der Überwachung chronisch Kranker, bei Wundkontrollen oder Ersteinschätzung sinnvoll sein», sagt Ärztekammer-Präsident Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach. Der Einsatz von Elektronik stehe durchaus «im Einklang mit der ärztlichen Berufsordnung».

Patienten ausschließlich aus der Ferne zu behandeln, sei dagegen laut Berufsordnung nicht erlaubt, betont die Kammer. «Wenn ein Arzt seine Patienten dagegen kennt und sie etwa bei leichten Erkrankungen oder Routinefällen telemedizinisch behandelt, dann sind die bequemen, schnellen und effizienten Informations- und Kommunikationsprozesse ausdrücklich zu begrüßen.» Auch der Ärztepräsident geht davon aus, «dass diese Angebote weiter zunehmen».

Woran es liegen könnte, dass das bisher nicht der Fall ist – Susanne Mauersberg vom Verbraucherzentrale Bundesverband hat die Mediziner im Verdacht. «Die Ärzte setzen das nur zäh um», sagt die Gesundheitsexpertin. «Dabei ist das eine sehr innovative, sehr wichtige Geschichte.» Die Verbraucherzentrale ermutigt Patienten, gezielt nachzufragen «und dabei dem Arzt gegenüber offensiver aufzutreten».

Der Wunsch der Patienten ist jedenfalls da, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Laut einer repräsentativen Befragung von 2015 wollten 45 Prozent eine Video-Sprechstunde bei ihrem Haus- oder Facharzt zumindest gelegentlich nutzen. Die Autoren der Studie sehen auch keinen Qualitätsverlust: «Video-Konsultationen sind bei vielen Indikationen und Anlässen genauso gut wie ein Praxisbesuch.»

Fotocredits: Marijan Murat
(dpa)

(dpa)
Mediziner