Impfstoffmangel ist Alltag in Apotheken

Berlin – Wer sich gegen Masern, Tetanus oder andere Krankheiten impfen lassen will, hat mitunter Pech: Es kann passieren, dass der passende Impfstoff nicht lieferbar ist.

Allein im vergangenen Jahr meldeten die Hersteller bei 45 verschiedenen Impfstoffen Lieferengpässe, wie aus Daten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hervorgeht. Die Bundesbehörde für Impfstoffe und Arzneimittel führt seit Herbst 2015 eine entsprechende Statistik – Grippeschutzimpfungen ausgenommen.

In 33 Fällen waren nur bestimmte Verpackungsgrößen nicht lieferbar oder es gab zumindest einen Ersatzimpfstoff. In zwölf Fällen allerdings gab es zeitweise keine Alternative.

Einzelne Lieferengpässe möglich

Die Apotheken kennen das Problem: «Grundsätzlich ist die Versorgung ausreichend, aber leider sind immer wieder einzelne Lieferengpässe und damit Versorgungslücken zu beobachten», sagte Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), vor dem Start der Europäischen Impfwoche am 24. April.

Mehr als 100 Impfstoffe für Kinder und Erwachsene umfasst die Liste mit bisher registriertem Engpass auf den Seiten des PEI. Betroffen unter anderem Impfstoffe gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten, Masern, Mumps und Röteln, Windpocken, Kinderlähmung, aber auch gegen Hepatitis A und B, Cholera, Tetanus, Tollwut und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).

«Der Impfstoffmangel gehört bei uns mittlerweile zum Alltag», berichtet eine Apothekerin aus Berlin-Friedrichshain, die namentlich nicht genannt werden will. Die Kunden seien zum Teil empört. «Zurecht. Sie waren extra beim Arzt, wollen ihren Impfschutz aufbessern und gehen leer aus», berichtet die Pharmazeutin. «Wir horten schon bestimmte Stoffe, weil es immer wieder Engpässe gibt», berichtet eine andere Kollegin aus einer Apotheke in Berlin-Neukölln.

Mehr als drei Monate Wartezeit

2017 sah die Lage noch schlechter aus. Damals gab 57 Engpassmeldungen und im Zeitraum von Oktober 2015 bis Ende 2016 insgesamt 70 Meldungen. Der Engpass kann mitunter andauern – zum Teil mehr als drei Monate.

«Die Hersteller melden sehr zuverlässig, wenn sie tatsächlich für einen bestimmten Zeitraum nicht liefern können», sagt PEI-Sprecherin Susanne Stöcker. Darüber hinaus gebe es auch für Einzelpersonen die Möglichkeit, vermutete Engpässe zu melden. Diese Meldungen würden vom Institut geprüft.

Doch woran liegt die Knappheit? Die Gründe seien vielfältig, erklärt Stöcker: «Sie reichen von erhöhter Nachfrage, über Herstellungsprobleme bei einer Charge bis zu dem Punkt, dass ein Impfstoff lange ausfällt und im Verlauf dieser Dauer auch der Alternativ-Impfstoff knapp wird, weil plötzlich sehr viel mehr davon nachgefragt wird als üblicherweise.» Da die Herstellung von Impfstoffen sehr langwierig sei, könne auch nicht kurzfristig in größeren Mengen nachproduziert werden.

«Viele Entwicklungs- und Schwellenländer investieren inzwischen in eine bessere Gesundheitsversorgung ihrer Bevölkerung, einschließlich Impfungen. Deshalb ist weltweit die Nachfrage nach Impfstoffen gestiegen», erklärt PR-Managerin Anke Helten von GlaxoSmithKline, einem der weltweit größten Impfstoffhersteller. Die Hersteller bauten aus diesem Grund ihre Produktionskapazitäten aus, dieses sei jedoch eine über mehrere Jahre dauernde Investition, so Helten. Es sei nicht ungewöhnlich, dass es bei einzelnen Impfstoffkomponenten zu Verzögerungen im Produktionsprozess komme und temporäre Lieferengpässe aufträten, bestätigt sie.

Ist die Bevölkerung ausreichend geschützt?

Die Frage, ob das Bundesgesundheitsministerium den Schutz der Bevölkerung gewährleistet sieht, beantwortet ein Sprecher nicht. Er verweist aber darauf, dass im Falle eines Mangels zeitnah Handlungsempfehlungen für Ärzte in der Praxis erstellt und auf den Internetseiten des
Robert Koch-Instituts und des PEI veröffentlicht werden. Die Gründe für Engpässe seien vielfältig und ließen sich nicht alleine durch gesetzliche Maßnahmen ausschließen.

Damit
Impfstoff-Engpässe in den Apotheken gar nicht erst auftreten, wünscht sich der Apothekerverband die Möglichkeit einer längerfristigen Planung. «Aufklärungskampagnen werden oftmals schon längerfristig geplant, und dann können auch die Hersteller rechtzeitig ihre Impfstoffproduktion hochfahren», so Becker.

Im vergangenen Jahr haben die öffentlichen Apotheken rund 36,4 Millionen Impfstoffdosen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben – rund drei Prozent mehr als im Vorjahr, wie aus Zahlen des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts hervorgeht. Die Kosten stiegen von rund 1,2 auf rund 1,3 Milliarden Euro. Den stärksten Zuwachs gab es bei FSME-, Grippe- und Meningokokken-Impfstoffen.

Wenn sie ihren Kunden keine Impfstoffe aushändigen kann, schickt die Friedrichshainer Apothekerin sie weiter ins Gesundheitsamt oder Tropeninstitut. «Ich hoffe, dass sie dort dann mehr Glück haben.»

Fotocredits: Ole Spata
(dpa)

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