Briten probieren ungewöhnliche Männer-Diät

Colchester – Trainerin Christa Osman umkreist den großen stämmigen Mann mit einem Maßband. Sie stoppt eine Fingerbreite über seinem Bauchnabel und sagt: «Dave Jones, 14 Zentimeter weniger Taillen-Umfang als vor drei Monaten.»

Man kann es die Stunde der Wahrheit nennen, diesen Abend in der britischen Stadt Colchester, etwa zwei Autostunden nordöstlich von London entfernt. Zehn Männer versammeln sich in einem Nebenraum des örtlichen Fußballstadions, in kurzen Trainingshosen und neongrünen Sportleibchen, in ihrer Mitte eine Personenwaage. Die Männer – sehr kräftig bis stark übergewichtig – sind Teilnehmer am erfolgreichsten Diätprogramm für Männer in Großbritannien.

«Man v Fat Football» heißt das unmissverständliche Konzept: Männer gegen ihr Fett – und zwar mit Hilfe von Fußball. Eingeteilt in Zehnermannschaften treten sie gegen andere Diät-Teams an, einmal pro Woche, 14 Wochen lang. Zusätzlich helfen Coaches mit Ernährungstipps.

Abnehmen durch Bewegung – das klingt erst einmal nicht besonders neu. Bei «Man v Fat» kommt ein spezieller Kniff dazu: Die Teilnehmer werden vor jedem Spiel gewogen, die verlorenen Pfunde der Mannschaft als Bonus-Tore angerechnet. Aus einer Diät wird Team-Arbeit.

Während also Dave Jones, immer noch mit dem Maßband um den Bauch, seinen «Happy Day» feiert, streift der nächste Mann seine Turnschuhe ab und tritt den Gang zum Gewichts-Check an. Weiter hinten im Raum diskutieren Teamkollegen, was man gegen nächtliche Heißhunger-Attacken machen kann. Ein junger Kerl, sein Hosenbund schneidet tief in den runden Bauch, rät zu einem «Becher Naturjoghurt oder Quark vor dem Schlafengehen. Das macht satt.»

Für Andrew Shanahan sind solche Dialoge Teil des Erfolgskonzeptes. Der 39-Jährige hat das Programm «Man v Fat» gegründet. Er sagt: «Auf einmal reden Männer über Rezeptideen oder die Schwierigkeit, passende Kleidung zu finden.» Auf dem zugehörigen Internet-Forum tauschen sich mehr als 10 000 Männer online über Sportübungen, Fenchelsalat und Motivationshilfen aus.

«Normalerweise sprechen Männer nicht über ihr Gewichtsproblem», sagt Shanahan. Er, früher selbst stark übergewichtig, suchte lange vergeblich nach einer passenden Diät. «Die meisten Abnehm-Kurse legen ihren Fokus auf Frauen. Da geht es darum, wieder in das kleine schwarze Kleid zu passen oder eine gute Figur am Strand zu machen. Ich konnte mich damit nicht identifizieren.» Shanahan wollte die Lücke schließen. Und gründete Anfang 2016 die erste
Diät-Fußballliga Großbritanniens. Umgerechnet rund 100 Euro kostet das dreimonatige Programm, mit dem schon mehr als 1500 Männer abgespeckt haben.

Draußen auf dem Flutlicht-Platz vor dem Stadion: Die ersten Diät-Mannschaften stehen sich bereits auf dem Feld gegenüber, manch einer zurrt seine Schienbeinschoner fest. Chris Deslandes dehnt seine Oberschenkel, er beugt sich über seinen Bauch nach vorne, versucht, die Zehenspitzen zu greifen. Mit einem tiefen Schnaufen und einem hochroten Kopf richtet er sich wieder auf. «Das kommt davon, wenn man sich vor dem Sport noch den Magen vollschlägt», sagt er. Der 30-Jährige hofft, dass er heute die gesamten 30 Minuten, die ein Spiel dauert, durchhält.

«Beim ersten Spiel konnte ich gerade mal drei Minuten mitlaufen. Früher habe ich schon auf dem kurzen Fußweg zur Arbeit unendlich geschwitzt», sagt Deslandes, tätschelt seinen Bauch. 18 Kilo seien schon runter, mit 136 Kilo Gewicht sei er im August gestartet. Ein Besuch beim Arzt war für Deslandes Auslöser, bei «Man v Fat» mitzumachen. «Der hat mein Lungenvolumen gemessen. Es kamen katastrophale Werte raus. Ich war zu weit gegangen, ich musste was ändern.»

Deslandes sagt, er möchte sich beim Essen nicht quälen. Jeder könne hier schließlich selbst entscheiden, wie er seine Ernährung umstellt. Ein Teamkollege trinke nur noch Suppe. «Das wäre der Horror für mich. Ich gönne mir auch mal ein Eis», sagt er, und dann: «Abspecken ist schrecklich. Aber wenn du einem Engländer sagst, wir spielen dabei Fußball – damit kriegst du jeden, sogar mich.»

Fotocredits: Maria Stöhr
(dpa)

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