Lärmbelästigung durch Fortschritt

Woran liegt es eigentlich, dass die Leute, die über ihre Handys am lautesten Musik hören, den schlechtesten Musikgeschmack haben? Liegt hier eine bisher unbekannte und vage Analogie zum bekannten Sprichwort „Die dümmsten Bauern ernten die dicksten Kartoffeln.“ vor? Oder ist die Erklärung vielmehr im Bereich der Soziologie oder Psychologie zu suchen, und ich mache es mir ein wenig zu einfach, wenn ich auf simple Folklorismen zurück greife?

Tatsache ist, dass man sich selten durch laut dahin geschmetterte Opernarien oder hochvirtuos dargebotene Jazzsoli gestört fühlt (oder durch was auch immer man für e-Musik hält), sondern meist durch Schrammelpunk oder deutschen Rap. Erst durch die Fortschritte der letzten Jahre ist es überhaupt möglich, dass jeder jeden jederzeit mit jedweder Musik beglücken kann. Zu allem Unglück scheint dies grundsätzlich bei maximaler Lautstärke ablaufen zu müssen.

Doch welche Handy-Musik-Rüpel gibt es überhaupt?

Allgemein am häufigsten anzutreffen sind wohl die männlichen Halbstarken, die sich in Gruppen um denjenigen scharen, der das lauteste Handy hat, das grundsätzlich deutschen Gauner-Sprechgesang von sich gibt. Komisch, wenn wir früher im Sport die Kapitäne bestimmen mussten, waren das meist die besten Athleten oder zumindest die mit der ausgeprägtesten Führungspersönlichkeit, und nicht zwangsläufig die, die am lautesten schreien konnten.

Es gibt aber auch andere: Neulich saßen mir in der S-Bahn drei etwa 13 Jahre alte Mädchen schräg gegenüber und unterstützten das Handy des einen gesanglich, aber vor allem laut. Sie schienen mit dem Sänger einer Meinung zu sein, dass es nichts Größeres gäbe, als besoffen in der Gosse zu liegen und nichts mehr mitzukriegen. Na, wenn das mal keine Perspektive ist für eine 13-jährige in den heutigen Zeiten.

Ein Klassiker in Zeiten, in denen Handys so laut werden können, wie es ältere Semester von den auch mal modern gewesenen Ghetto-Blastern her kennen, sind natürlich auch die durch das Handy unterstützten Fangesänge, wobei ehrlich zugegeben werden muss, dass das vergleichsweise leise Handy-Gebimmel bei einem 30-Mann-Chor auch nichts mehr verschlimmbessern kann. Hier ersetzen die Handys den Dirigenten, der schnellste Handy-Tipper bestimmt das nächste Lied.
In diesem Fall ist die Anfangs gestellte Frage sicherlich sehr einfach zu beantworten: auch ich verspüre nach dem sechsten Bier eine gewisse Neigung zu leicht ordinärem Verhalten, das die Selbstkontrolle hinsichtlich der Lautstärke nicht mehr unbedingt umfassen muss.

Fazit

Aber zurück zur eigentlichen Frage, die diese Worte inspiriert hat und zu meinem vorläufigen Fazit: sie haben gar nicht den schlechtesten Musikgeschmack, sondern nicht meinen. Wem diese Antwort nicht gefällt, habe ich noch eine Alternative anzubieten: keine Ahnung.

P.S.

Die Frage, warum Musik immer bei maximaler Lautstärke abgespielt wird, ist wohl eben so einfach zu beantworten wie trivial: weil es geht.

Werbung
Mediziner

Comments (1)

  1. maxim sagt:

    Jo! Das musste irgendwann mal raus!;)
    schön…