Ersatz aus der Ecke: Wann Weisheitszähne raus müssen

Berlin (dpa/tmn) – Im Alter von zwölf Jahren hat man normalerweise 28 Zähne: 14 oben, 14 unten, jeweils 7 auf jeder Seite. Damit ist das Gebiss eigentlich komplett. Doch bei vielen Menschen kommen im Erwachsenenalter in den hinteren Ecken des Kiefers noch die so genannten Weisheitszähne zum Vorschein.

Sie bereiten häufig Probleme. Denn im Mund des modernen Menschen ist oft zu wenig Platz. Sie sind ein Überbleibsel aus der Frühgeschichte der Menschheit.

«Nicht jeder bekommt Weisheitszähne», erklärt Prof. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. Während bei einigen Menschen vier Zusatzzähne im Kiefer angelegt sind, sind es bei anderen nur drei, zwei, einer oder gar keiner. Wann man sie bekommt, ist individuell sehr unterschiedlich. «Selten kann das noch im hohen Alter passieren», erklärt der Zahnarzt.

Früher galt: Wenn ein Weisheitszahn bis zum 25. Lebensjahr nicht durchgebrochen ist, sollte er vorbeugend entfernt werden. Begründet wurde dies damit, dass die meisten nicht durchgebrochenen Zähne früher oder später Probleme machen.

Heute wird diese Empfehlung nicht mehr so pauschal ausgesprochen. Denn ein Herausoperieren der Weisheitszähne birgt ebenfalls Risiken wie eine Wundinfektionen oder die Schädigung eines Nervs. «Eine prophylaktische Entfernung ist zwar kein Fehler, man ist aber heute viel vorsichtiger geworden», erklärt Prof. Michael Ehrenfeld, Direktor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Klinikum der Universität München.

«Statistisch gesehen verursacht jeder fünfte bis sechste Weisheitszahn, der nicht durchbrechen kann, im Lauf des Lebens irgendwelche Komplikationen», sagt Ehrenfeld. Er empfiehlt, auf der Grundlage eines Röntgenbildes das individuelle Risiko abzuschätzen.

«Es gibt verschiedene Kriterien, ob man im Einzelfall einen Weisheitszahn entfernt oder im Kiefer belässt», sagt Zahnarzt Driss Wartini von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. Etwa wenn genügend Platz vorhanden sei, solle man erst einmal abwarten. Zumal Weisheitszähne auch als Ersatz für verlorene und geschädigte Zähne herhalten können. In ihrer Form und Funktion entsprechen sie den großen Backenzähnen und sind daher grundsätzlich nicht überflüssig.

Anders sieht es aus, wenn die Zähne nicht genug Platz haben, um vollständig durchzubrechen. Dann kommt es häufig zu Infektionen, die sich ausbreiten und zu Abszessen führen können. Schwierigkeiten entstehen auch, wenn Weisheitszähne nicht nach oben sondern zur Seite wachsen oder wenn sie so eng am Nachbarzahn liegen, dass man beide betroffenen Zähne nicht richtig putzen kann. «Hier wie auch an Zähnen, die noch nicht ganz durchgebrochen sind, kann Karies entstehen», erklärt Oesterreich. Er empfiehlt, eine Zahnbürste mit möglichst kurzem Kopf zu verwenden.

Wenn Weisheitszähne benachbarte Zähne schädigen, Beschwerden beim Kauen und Schlucken verursachen oder für häufige Infektionen verantwortlich sind, sollten sie entfernt werden.

Nach Weisheitszahnentfernungen kommt es häufiger zu leichteren Komplikationen wie zu einer verzögerten Wundheilung. Schwere Komplikationen wie ein Kieferbruch oder eine dauerhafte Nervenschädigung sind selten. Dennoch sollte man immer den möglichen Nutzen und das Risiko des Eingriffs individuell abwägen, erklärt Oesterreich. «Nicht jeder Weisheitszahn muss entfernt werden.»

Fotocredits: Markus Scholz

(dpa)
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