Digitale Ernährungsberater helfen beim Einkauf

Stuttgart – Es ist wie überall: Digitalisierung eröffnet ungeahnte Möglichkeiten – auch in der Ernährung. Wie viele Kalorien brauchen wir? Wie viele haben wir heute schon aufgenommen? Wie viele Vitamine? Stimmen die Nährwerte?

Wer will, kann viel erfahren und weiß mehr über die Lebensmittel im Laden. Wer will. Und wer sich die Mühe macht. Die 25. Ernährungsfachtagung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Baden-Württemberg befasst sich mit der Frage, wie sich Ernährung in der digitalen Welt verändert.

– Codecheck: Vergleichsweise beliebt sind Apps, die dem Verbraucher Zusatzinfos über Produkte liefern. Dinge, die man eben nicht unbedingt auf der Verpackung oder am Regal sieht. Es reicht den Barcode mit dem Smartphone einzuscannen, Internetverbindung vorausgesetzt. Wie hoch ist der Gehalt an gesättigten Fetten? Ist das Produkt laktosefrei? Vegan? Vegetarisch? Welche alternativen Produkte gibt es? Auch Warnungen wie «kann bei übermäßigem Verzehr problematisch sein», werden auf dem Smartphone angezeigt.

– Nährwertprogramme: Unzählige Apps sind in der Lage, die Nährwerte eines Tages zu berechnen, zu vergleichen und auszuwerten. Das bringe jedoch natürlich nur dann was, wenn der Nutzer sie auch konsequent eingibt, die App pflegt, wie Professor
Peter Grimm vom Institut für Ernährungsmedizin der Uni Hohenheim in Stuttgart und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sagt. Self-Tracking nennt sich das. Was hat man wann zu sich genommen? Wie viel davon? Jeder Schluck Saft, jeder Spritzer Öl im Salat wird dokumentiert.

Ernährungstagebücher können zeitnah und genauer geführt werden, berichtet Wolfram Stein von der Uni Heidelberg. Einem Navi gleich, gibt es Sprachansagen wie «Sie haben 70 Prozent Ihres Tagesziels an Energie erreicht. Essen Sie im Verhältnis weniger Kohlehydrate, mehr Eiweiß». Die Erfahrung zeige aber, dass nur wenige durchhalten, so Grimm. Selbst seine Studenten, technikaffin und mit Interesse für Ernährungsthemen, räumten ein, nicht wirklich lange dabei zu bleiben. Ein Stück weit sicher auch, um auf diesem Weg nicht zu viele persönliche Daten ungefiltert Lebensmittelkonzernen preiszugeben, wie der Professor betont.

– Erinnerungen: Wer es mag, kann sich von seinem Smartphone ans Wassertrinken erinnern lassen – und an vieles mehr. Eine Rolle spielen Wecker-Funktionen laut Grimm bei Diabetespatienten, wenn es um die Medikamenteneinnahme oder den Blutzuckerspiegel geht. Über Apps können Anwender Kalorien, Brot- und Kohlenhydrateinheiten von Lebensmitteln zur Ernährungssteuerung abrufen.

– Therapieunterstützung: Eine Idee, wohin die digitale Reise führen kann, bekomme man am ehesten auf der Internetplattform
Oviva, berichtet Grimm. Patienten und Berater rückten dort viel enger zusammen. Über eine App könne der Berater sogar live beim Einkauf dabei sein und den Patienten beraten, ihm über SMS Tipps geben. Oder sogar über einen Knopf im Ohr. Solche Plattformen seien in der Lage, die Arbeit von Ernährungsberatern komplett zu verändern, so Grimm. Experte und Klient sehen sich dann nicht nur einmal die Woche für eine Stunde in der Praxis, sondern stehen permanent in Kontakt. Man teilt online Fotos von Mahlzeiten, Gewichts- und Aktivitätsverläufe.

– Spiele:
«Mehlspur» etwa ist eine elektronische Schnitzeljagd nicht nur für Kinder, sondern für alle, die per Smartphone oder Tablet mehr über das tägliche Brot erfahren möchten, wie Professorin Silke Bartsch von der TU Berlin berichtet. Mitspieler werden zum Beispiel in Karlsruhe oder Ulm die «Mehlspur» entlang zu verschiedenen Stationen zum Thema Brot geführt. Dort gibt es Aufgaben zu lösen. Diverse Games versuchen so, das Wissen über Ernährung zu schärfen.

– Kochboxen: Kein Spaß am Einkaufen? Keine Zeit? Etliche Anbieter liefern genau das, was man für sein Abendessen braucht in fertig gepackten Kochboxen nach Hause. Portioniert verpackt, ab zwei Portionen, Kochanleitung inklusive. Auf Wunsch nur mit vegetarischen Zutaten oder mit Fleisch. «Kochhaus» heißt ein Angebot, «HelloFresh» oder «Marley Spoon» andere. Die Kochboxen zielten auf Berufstätige, denen unter der Woche die Zeit zum Einkaufen fehlt und denen der höhere Preis nichts ausmacht, berichtet Grimm. Größter Nachteil aus einer Sicht: «Bei den Miniportionen fällt enorm viel Verpackungsmüll an.» Ein Edeka-Händler in Stuttgart bedient seit 2017 eine der ersten
Bahnhofsboxen in Stuttgart, wo sich die Kunden ihre Zutaten in einer Art Schließfach auf dem Heimweg abholen können.

Fotocredits: Fabian Albrecht
(dpa)

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